Die Opfer einer Offiziersfamilie:
Als im Juli 1870 das Gesamtheer zum Kampfe gegen Frankreich sich erhob,
da standen unter den bayerischen Fahnen fünf Glieder der Familie MÜHLBAUER:
Gustav Mühlbauer, Oberst und Kommandant des 5. Infanterie-Regiments, und dessen
Söhne: Ludwig, der Jüngste, Kadett im gleichen Regiment, ferner Max, Karl
und Theodor, als Lieutenants im 10. Infanterie-Regiment (Prinz Ludwig). Von
diesen blieb Max, der älteste, als Regiments-Adjutant in der Garnison Ingolstadt
zurück. Die Übrigen zogen mit dem Vater über den Rhein, dem Feinde entgegen.
Oberst Mühlbauer ward die Ehre zu Teil, die erste Avantgarde bayerischerseits
gegen die Franzosen (Division Douay) zu führen. Aber der erste Sieg bei Weißenburg
brachte seiner Familie auch schon den ersten Verlust. Das 3. Bataillon des
5. Infanterie-Regiments, zur Division Bothmer (II. Armeekorps) gehörig, war
an dem Sturm auf die französische Grenzfestung beteiligt. Vor dem Tore (Schweigener
Tor) desselben sollte der Kadett Ludwig Mühlbauer (geb. 15. Mai 1853
zu Regensburg) des genannten Bataillons den Soldatentod finden, erst 17 Jahre
alt. In dem Augenblick, als der Jüngling seinem schwer verwundeten zusammenstürzenden
Zugkommandanten, Oberlieutenant v. Bauer-Breitenfeld beisprang, traf ihn die
tödliche Kugel und er wurde tags darauf in dem bayerischen Dorfe Schweigen
(nördlich von Weißenburg) begraben. Seine Brüder erhielten die Todesnachricht
erst auf dem Vormarsch gegen Sedan.
Bei Beaumont, am 30. August, kam das 10. Infanterie-Regiment zum ersten Mal
in diesem Krieg zum Gefecht. Hier war es, wo Lieutenant Luitpold Mühlbauer
(geb. zu München, 15. Oktober 1846) schon im Jahre 1866 für sein tapferes
Verhalten ausgezeichnet, als einer der Ersten im neuen blutigen Waffenkampf
sich hervortat. Während des Kampfes konnte er seinem verwundeten Bruder Karl
noch die Hand zum Abschied reichen, denn sie sollten sich nicht wieder sehen.
Nach der Schlacht stellte man die Namen jener zusammen, die sich besonders
ausgezeichnet hatten, und unter ihnen befand sich auch Luitpold Mühlbauer.
Bei der Erstürmung von Bazeilles am 1. September sollte ein einzeln stehendes,
das umliegende Terrain dominierendes Gebäude genommen werden. Mehrere Versuche,
in den Flanken beizukommen, waren schon abgewiesen worden; da erhielt Lieutenant
Luitpold Mühlbauer den Befehl, mit seinem Zug in der Front zu stürmen. Stolz
ob desgleich ehrenvollen wie gefährlichen Kommandos stellte er sich., obwohl
er den beinahe sicheren Tod vor Augen hatte, zur Aneiferung seiner Soldaten
an deren Spitze und schritt ihnen kühn voran gegen das von französischer Marine-Infanterie
mit dem Mute der Verzweiflung verteidigte Gebäude. Er sollte die Früchte seines
Heldenmutes nicht erleben. In der Nähe des Zieles stürzte der Held, von drei
Kugeln durchbohrt, leblos zu Boden. Einige Stunden später wurde der Verblichene
unter dem Donner der Kanonen in einem Garten bei Bazeilles beigesetzt.
Sein Bruder Theodor (Regiments-Adjutant im 10. IR) erhielt erst während der
Beerdigung die Kunde. Er eilte sogleich nach der Grabstätte, sah aber nur
noch einen Hügel frischer Erde und die Tränen der Umstehenden. Im April 1871
wurde die irdische Hülle Luitpold Mühlbauer's auf den Wunsch der Familie von
Bazeilles nach Schweigen gebracht und auf dem dortigen Kirchhof mit seinem
bei Weißenburg gefallenen Bruder Ludwig in einem gemeinschaftliches Grab gesenkt.
Wie bereits erzählt, war auch Karl Mühlbauer (geb. zu Lohr in Unterfranken)
am 27. April 1870 bei Beaumont verwundet worden. Das verhinderte den feurigen
Offizier nicht, bei seiner Mannschaft zu verbleiben. Blutend kämpfte er fort,
bis er endlich den Befehl erhielt, sich nach dem Verbandsplatze zu begeben.
Am 2. November traf er geheilt auf dem Kriegsschauplatz wieder ein. Nun kämpfte
er in allen Schlachten und Gefechten an der Loire, von Coulmiers bis Beaugency,
und zwar größtenteils als Kompagnieführer. Sein Todesmut, seine Ausdauer,
die besonders wegen seiner wieder aufgebrochenen Wunde zu bewundern waren,
sowie seine Umsicht fanden allgemeine Anerkennung. Am 4. Dezember stürmte
er an der Spitze seiner Kompagnie eine energisch verteidigte Schanze und eroberte
in derselben ein Geschütz. Vier Tage später stand er von früh bis abends im
Feuer und wollte, als bereits die Dämmerung eingebrochen war, seine Kompagnie
nochmals gegen den weichenden Feind vorführen. Beim Vormarsche stürzte der
tapfere Offizier, durch eine Kugel am Halse getroffen, lebensgefährlich verwundet
zu Boden und hauchte nach einer halben Stunde sein edles Leben aus. Sein Körper
ruht neben anderen seiner Kameraden auf dem Schlachtfeld von Beaugency.
Mit den Worten: "Die Grabhügel der drei Brüder bezeichnen den Siegeslauf der
Deutschen von Weißenburg über Sedan an die Ufer der Loire" schloss die Trauerbotschaft,
womit in der Heimat die Mutter den Verlust ihres dritten Sohnes bekannt gab.
So kehrte außer dem Vater nur noch einer der vier Söhne aus dem Kampfe zurück,
wo alle für König und Vaterland sich glänzende Lorbeeren gesammelt hatten.
Neben manchem Ehrenzeichen schmückte der Max-Joseph-Orden die Brust der Obersten
v. Mühlbauer, als er an der Spitze seines Regiments in die Garnison Bamberg
wieder einzog. Als aber der Regimentskommandeur für den jauchzenden Willkomm
der Bevölkerung seinen Dank sprechen wollte, erstickte ein Tränenstrom die
Stimme des tapferen Obersten. Das Vaterherz war in seine Rechte eingetreten.
Bald darauf wurde Oberst v. Mühlbauer zum Kommandeur der 8. Infanterie-Brigade
(Speyer) und im Frühjahr 1873 zum Generalmajor und Kommandeur der 5. Infanterie-Brigade
(Nürnberg) befördert; eine ungebrochene Kraft zur Mitarbeit an der großen
Aufgabe, die der Deutschen Armee noch gestellt ist. Seinen tapferen Söhnen
aber, die so früh ihr Leben in der Übung heiligster Vaterlandspflichten gelassen,
wird für alle Zeit ein Ehrendenkmal gesichert sein im Herzen der Kameraden,
die an ihrer Seite gekämpft und in der Geschichte des vaterländischen Heeres.
|